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Bertold Bernreuter

Lateinamerikanische Philosophie in Farbe

Das Zentrum für Lateinamerikastudien in Mexiko-Stadt


 Eine Institution mit langem Namen

español  

Centro Coordinador y Difusor de Estudios Latinoamericanos
Universidad Nacional Autónoma de México
Torre II de Humanidades, 8o. piso
04510 México, D.F.
MEXIKO
Tel. +52 (5) 56 23 02 11
Fax +52 (5) 56 23 02 19
emailmariom@servidor. unam.mx
external linkhttp://www. ccydel.unam.mx

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  Stöbert man in den Philosophieregalen der Universitätsbuchhandlung auf dem Campus der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM), stolpert man bei den interessantesten Veröffentlichungen zu lateinamerikanischer Philosophie unweigerlich über eine publizierende Institution mit langem Namen: Centro Coordinador y Difusor de Estudios Latinoamericanos (CCyDEL). Auf der gegenüberliegenden Seite des Universitätsforums finden sich die Räumlichkeiten dieses "Koordinations- und Verbreitungszentrums für Lateinamerikastudien": Etwa 25 Forscher und Forscherinnen arbeiten hier auf vornehmlich fünf Gebieten, nämlich der Philosophie und Geschichte der lateinamerikanischen Ideen, der präkolumbischen und spanischen Vorläufer Lateinamerikas, der Geschichte Lateinamerikas und der Karibik, der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Lateinamerika und der Karibik sowie der lateinamerikanischen Literatur.

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  Unverbrüchlich verbunden ist die Geschichte des Zentrums mit dem Namen Leopoldo Zeas, seinem wichtigsten Geburtshelfer und langjährigem Direktor, gleichsam der Vater einer authentischen lateinamerikanischen Philosophie. Als 1978 die beiden wissenschaftlichen Gesellschaften Sociedad Latinoamericana de Estudios sobre América Latina y el Caribe (SOLAR) und Federación Internacional de Estudios sobre América Latina y el Caribe (FIEALC) aus der Taufe gehoben wurden, erreichten die Beteiligten die Zusicherung der UNAM, einem Organ für die Koordination der Aktivitäten der Gesellschaften Raum und Gelder zur Verfügung zu stellen.

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  Mit Zea als Kopf entwickelte sich der CCyDEL rasch zu einer rührigen Institution, die eine gewisse Unabhängigkeit von universitären Vorgaben und Strukturen zu nutzen wußte und schon lange nicht mehr aus der Lateinamerikanistik des Subkontinents wegzudenken ist. Im Gegenzug für ihre finanzielle Unterstützung profitiert die UNAM - neben anderen Universitäten des Landes wie auch des Auslandes - von der Lehrtätigkeit der Mitglieder des Zentrums. Seit 1987 ist der CCyDEL auch als Nicht-Regierungsorganisation der Kategorie B bei der UNESCO anerkannt.



 Das Herzstück der Forschung: die Ideengeschichte





Universidad Nacional Autónoma de México
external linkHomepage

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  Neben der Koordination des wissenschaftlichen Austausches in und außerhalb von SOLAR und FIEALC und der Forcierung von Lateinamerikastudien weit über die Grenzen Mexikos hinaus, ist es vor allem die reiche Forschungstätigkeit, besonders in Philosophie und Geisteswissenschaften, die die Arbeit des Zentrums bekannt gemacht hat. Mit der zunehmend konservativeren Haltung Zeas, der in enger Beziehung zur seit über 70 Jahren regierenden Institutionellen Revolutionären Partei steht, fand eine Zeitlang manch kritische Stimme nur schwierig Zugang zum Zentrum, die Forschung war stark von der Linie Zeas geprägt.

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  Heute wird nach wie vor schwerpunktmäßig geisteswissenschaftliche Forschung betrieben, sie erscheint jedoch bunter: Neben politik- und sozialwissenschaftlichen Anleihen finden verstärkt auch Frage- und Problemstellungen aus der modernen Kulturanthropologie Interesse. In der Philosophie wird dabei weiterhin vor allem zu Philosophiegeschichte, Ideengeschichte, Geschichtsphilosophie und politischer Philosophie gearbeitet. Gerade die Geschichte der lateinamerikanischen Ideen hat unter dem Dach des Lateinamerikazentrums ein kreatives Zuhause gefunden. Lateinamerikanische Philosophie bekommt hier Farbe, weit entfernt von den gelegentlichen Schwarzweißmalereien ihrer Anfänge.

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  Zeugnis dieser regen Forschungstätigkeit gibt die große Bandbreite der Veröffentlichungen des Zentrums. Aus dem knappen Dutzend von Reihen und Zeitschriften ragen unbestritten die Cuadernos Americanos hervor, die sich unter der Herausgeberschaft des CCyDEL ab 1987 zur wichtigsten Zeitschrift des Kontinents zu lateinamerikanischer Philosophie entwickelt haben. Neben philosophischen Themen finden auch Studien über lateinamerikanische Geschichte, Politik, Wirtschaft und Literatur Eingang in die Zweimonatsschrift. Ältere Jahrgänge sind auch auf CD-ROM erhältlich.



 Gedankenarbeit im Versteckspiel


 

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  Im Gegensatz zur beachtlichen Forschungsleistung des Zentrums steht die Situation seiner Bibliothek Simón Bolívar. Von den knapp 14.000 verzeichneten Bänden zu lateinamerikanischer Philosophie, Geschichte und Literatur fehlten bei einer kürzlichen Revision mehr als 2.000, so daß so manche Suche zwangsläufig erfolglos bleiben muß. Zudem ist der Bestand mitunter falsch erfaßt und auch nicht ausleihbar. Obwohl hier Abhilfe versprochen ist, gestaltet sich eine Reorganisation aufgrund der knapperen Mittelzuweisungen schwierig. Die UNAM fährt gegenwärtig unter staatlichem Druck einen rigorosen Sparkurs, der nur noch wenig Spielraum für zusätzliche Vorhaben läßt. Zumindest ist der Bestand seit kurzem wie bei anderen Bibliotheken der UNAM elektronisch erfaßt und zugänglich.

Bertold Bernreuter studierte Philosophie, Germanistik, Interkulturelle Kommunikation und Geographie an den Universitäten Münster, Wien, Mexiko-Stadt (UNAM) und München.

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  So ließ ein eigenes Internetangebot, das eine bessere Nutzung des Zentrums auch von außerhalb Mexiko-Stadts erlaubt, ebenfalls lange auf sich warten. Dessen Realisierung war jedoch um so dringlicher, als es sich auch mit dem CCyDEL in mancherlei Hinsicht ähnlich verhält wie mit vielen anderen akademischen Institutionen Mexikos: Es passieren hervorragende Sachen, nur man erfährt nichts davon. Manche der Publikationen des Zentrums finden etwa nicht einmal den Weg auf die andere Seite des Forums in die Universitätsbuchhandlung. So wird der Interessierte noch eine Weile hinauf in den achten Stock der Torre de Humanidades fahren müssen, um nachzufragen. Es wird sein traurigstes Erlebnis nicht sein: Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des CCyDEL sind nicht nur hervorragende Forscher und Lehrer, sondern auch herzliche Gastgeber und Gesprächspartner.



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