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Hans Jörg Sandkühler & Ram Adhar Mall

Philosophie im Vergleich der Kulturen

Ein Fachgebiet des Studiengangs Philosophie an der Universität Bremen


 Im Dialog der Kulturen




Fachgebiet Philosophie im Vergleich der Kulturen

Universität Bremen
FB 9 – Studiengang Philosophie
Postfach 330 440
D-28334 Bremen
DEUTSCHLAND

Tel.
+49 (0)421 - 218 32 21
Fax
+49 (0)421 - 218 93 17

emailzphg@uni-bremen.de
external linkhttp://www.
philosophie.uni-bremen.de

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  Der offene, vorurteilsfreie, dem sensus communis verpflichtete Dialog zwischen den Kulturen ist das erklärte Ziel interkulturell orientierten Denkens. Dies bedeutet die Arbeit der Kritik an den Geschichten, in denen Kulturen ihre Herkunft haben und in deren Horizont sie ihre Zukunft sehen. Dies gilt auch für die Geschichten der Philosophien und der Wissenschaften. Werden Kulturen, Religionen, Philosophien und ethische und politische Modelle mit dem Anspruch thematisiert, ihr Eigenrecht zu achten, so geht es um eine Wechselseitigkeit, bei der das Verstehenwollen und das Verstandenwerdenwollen die zwei Seiten der interkulturellen Münze darstellen.

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  Kulturen kommen sich nahe, wo sie fähig werden, sich zu vergleichen, mag der Vergleich zur Erkenntnis von Gleichem im wechselseitig "Fremden" führen oder zur Anerkennung des je Eigengearteten, der Differenz, der Entfernung. Im Vergleich geht es um Weltverständnisse, um Menschen- und Naturbilder, um Lebensweisen und ethisch-politische Ordnungen. Gibt es, so wird gefragt, in der Verschiedenheit der Kulturen und der sie je prägenden Geschichte eine verbindende Rationalität der ethischen und politischen Normen, aus deren gelebter Wirklichkeit die eine Welt in Gerechtigkeit entstehen kann? Unabweisbar ist eine zweite Frage: Hat die europäische Moderne ungeachtet der Programmatik der Aufklärung und der bürgerlichen Revolutionen kulturell, ökonomisch und "weltpolitisch" den Ausschluß der Anderen – ungewollt oder gewollt – auch oder gerade da betrieben, wo sie im Namen "des Menschen", "der Geschichte", "der Rationalität", "der Philosophie" und "der Werte" gesprochen hat?

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  Stellt man sich dem strittigen Gespräch der Kulturen, wird man sich von zwei Fiktionen verabschieden müssen: der einer völligen Vereinbarkeit und der einer totalen Unvereinbarkeit der verschiedenen menschlichen Selbstentwürfe. Und man wird die Illusion aufgeben müssen, die sich als Toleranz verkleidet, um den schieren Relativismus des Laisser aller! zu kaschieren, von dem aus dem Fremde geboten wird, Fremdes zu bleiben, und verboten, in die Provinzen des Eigenen einzudringen. Der Werte-Relativismus, der jeglicher Kultur, jeder Religion, jeder Rechtsordnung und jeder Idee und Praxis von "Nation" gleicherweise Unhinterfragbarkeit zugesteht, ist aus Eigeninteresse kritikblind. Toleranz dagegen erträgt nicht, sondern wünscht das Anderssein; sie steht in der Spannung, mit dem Anderen zu leben und sich – wo notwendig – von ihm zu befreien; sie hat ein Maß. Eben dieses Maß der Kritik und der Anerkennung ist umstritten. Keine andere Debatte zeigt dies so klar wie die um die Universalität der Menschenrechte.



 Interkulturalität der Philosophie





Fachgebiet Philosophie im Vergleich der Kulturen
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  Man muß, ohne einem extremen Relativismus zu verfallen, den Relativismus ernst nehmen und den Gedanken der einen "reinen" Kultur, Philosophie, Religion, Rationalität und dergleichen zurückweisen. Weder die indische Hindu-Kultur noch die chinesische, noch die europäische, noch die afrikanische, noch die lateinamerikanische ist eine "reine" Kultur. Jeder philosophische und methodologische Versuch, eine Kultur und auch eine Philosophie als ein in sich abgeschlossenes System zu verstehen und zu untersuchen, schlägt fehl. Dies um so mehr, wird die Frage nach dem Ursprung der Kulturen und Philosophien gestellt. Oft wird von den drei Geburtsorten der Philosophie gesprochen: China, Indien, Europa; doch auch die spärlichen schriftlichen und lebendigen mündlichen Traditionen Afrikas und Lateinamerikas haben Philosophien begründet.

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  Philosophie im Vergleich der Kulturen zielt auf eine Interkulturalität, die, negativ ausgedrückt, weder die Kulturalität einer bestimmten konkreten Kultur noch ein bloßer Eklektizismus der Kulturen ist. Sie ist aber auch nicht eine reine Abstraktion, eine bloße Idee. Interkulturalität, positiv ausgedrückt, ist der Name einer philosophischen und kulturellen Haltung, Einstellung und Einsicht. Diese Einsicht begleitet alle Kulturen und Philosophien und verhindert, daß diese sich in den "absoluten Stand" setzen. Das Studium der Philosophie aus interkultureller Sicht ist angesiedelt jenseits aller Zentrismen, ob asiatisch, europäisch, afrikanisch oder lateinamerikanisch. Für dieses interkulturelle hermeneutische Modell ist das zu Verstehende nicht bloß ein Spiegel, von dem aus nur das jeweilige eigene Selbstverständnis begegnet. Das "Fremde" ist nicht bloß ein Echo des "Selbst".

Hans-Jörg Sandkühler und Ram Adhar Mall sind Professoren für Philosophie an der Universität Bremen.


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  Interkulturalität der Philosophie und Philosophie der Interkulturalität bedingen sich gegenseitig; dies läßt ein Studium der Philosophie im Vergleich der Kulturen notwendig erscheinen. Der Studiengang Philosophie an der Universität Bremen hat - einzigartig in Deutschland - diese Thematik als Fachgebiet in die Studienordnung aufgenommen. Er hat hierfür keine Dauerstelle eingerichtet, sondern lädt in jedem Sommersemester Gäste anderer als europäischer kultureller Herkunft – bisher aus Indien, Lateinamerika, Japan und Tunesien, Korea und aus Ägypten – ein, in Bremen zu lehren.



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