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Alfonso de Toro

Lateinamerika und die Vielfalt der Diskurse

Interkulturelle und interdisziplinäre Kommunikation im Zeichen der Postmoderne und Postkolonialität


 Zielsetzung des Projektes


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Diskursvielfalt.
Interkulturelle und interdisziplinäre Kommunikation im Zeichen der Postmoderne und Postkolonialität

Universität Leipzig
Ibero-Amerikanisches Forschungsseminar
Brühl 34-50
D-04109 Leipzig
DEUTSCHLAND
Tel.
+49 (0)341 - 961 80 77
Fax
+49 (0)341 - 213 27 85
emaildtoiafsl@rz.uni-
leipzig.de

external linkhttp://www.uni-
leipzig.de/~iafsl/


Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. Alfonso de Toro

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  Seit 1997 führt das Ibero-Amerikanische Forschungsseminar der Universität Leipzig (Deutschland) in Zusammenarbeit mit der Universität Manitoba/Winnipeg (Kanada) und unter Mitarbeit zahlreicher Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Europa, den USA und Lateinamerika ein Projekt durch, das darauf angelegt ist, den postmodernen und postkolonialen Diskurs in Lateinamerika in seinen mannigfaltigen Ausprägungen und Ausdrucksformen in der Erzählliteratur, in dramatischen und in Aufführungstexten, aber auch in Philosophie, Soziologie und Geschichtsschreibung, zu dokumentieren. Das Projekt zielt darauf ab, das Wissen und Denken in Lateinamerika interdisziplinär, und zwar auch im Dialog mit Europa und Nordamerika, darzustellen, zu analysieren und zu interpretieren.

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  Die besondere Betrachtung des interkulturellen Dialogs soll uns in die Lage versetzen, einen erweiterten Begründungszusammenhang für die Interpretation der spezifischen Funktion der Diskurse von Postmoderne/Postkolonialität in einem länder- und kontinenteübergreifenden Kontext darzustellen, und somit einen neuen Blickwinkel auf den lateinamerikanischen Bereich zu eröffnen. Ähnlichkeiten und Differenzen zwischen den Kulturen sollen ersichtlich und der eigene kulturelle Standort des lateinamerikanischen Denkens beziehungsweise seine Charakteristika sollen aufgezeigt werden.

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  Das Projekt bewegt sich im Kontext einer neueren Diskussion, die unter dem Begriff des Postkolonialismus als Teil der postmodernen Debatte bekannt geworden ist. Auch die Forschung, die unter dem Begriff der Nouvelle histoire oder Metahistory geführt wird, steht in enger Verbindung dazu. Gefragt wird in diesem Rahmen, ob Lateinamerika oder zumindest bestimmte Bereiche der lateinamerikanischen Kultur (im weitesten Sinn des Wortes) sich im Stadium der Postkolonialität, das heißt, in einem ausgewogenen Dialog mit den Wirtschafts- und Wissenschaftsmächten, befindet. Das Ergebnis dieser Untersuchung soll dazu beitragen, Licht in das Verhältnis zwischen Zentrum und Peripherie zu bringen und zugleich die Legitimation einer solchen Klassifizierung hinterfragen, sowie Fragen der "Macht" beziehungsweise der "Durchsetzungskraft" von Diskursen klären.

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  Das Interesse an der Postmoderne/Postkolonialität ist in Lateinamerika zwar einerseits rein wissenschaftlich, das heißt, es geht um die Beschreibung von Denken und Wissen, andererseits ist es der Versuch, die Komplexität unserer Zeit zu verstehen, den Ort im Leben, in dem ein solches Denken und Wissen beheimatet ist.

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  Vier Schwerpunkte bilden den allgemein Rahmen des Gesamtprojekts:



 1. Fiktionaler Diskurs als Dekonstruktion der Geschichtsschreibung



Überblick über Aufgaben und Verantwortlichkeiten in den einzelnen Forschungsfeldern:
external linkProjektstruktur



Zum Institut für Romanistik an der Universität Leipzig:
external linkHomepage

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  Vor dem Hintergrund der "neuen Geschichtsschreibung" und der Metahistory wird das Verhältnis zwischen Geschichtsschreibung und "neuem" historischen Roman untersucht. Der Grundgedanke besteht darin, der These der Postmoderne von der Gleichberechtigung unterschiedlicher Diskurstypen nachzugehen und deren Funktionen und Daseinslegitimationen (Lyotard, Derrida) zu untersuchen. Eine zweite für diese Untersuchung relevante These ist die, daß die Wirklichkeit beziehungsweise die Geschichte ein sprachliches und damit ein "nomadisches" (Deleuze, Guattari) oder "hybrides" (Garcia Canclini, Brunner u.a.) Konstrukt sei.

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  Im einzelnen geht es um die Problematisierung des Wahrheitsbegriffs beziehungsweise der Möglichkeit oder Unmöglichkeit, Geschichte zu erzählen, zu interpretieren und zu fixieren. Dabei stellen die Begriffe Narrativität beziehungsweise Tropologie und Konstruktion (White) die Basis für den Vergleich zwischen Erzählen im historiographischen und Erzählen im fiktionalen Bereich dar und ermöglichen außerdem die Einbeziehung der Alltags-, Sozial- und Mentalitätsgeschichte (Le Goff, Braudel). Die in diesem Zusammenhang relevanten Verhältnisse zwischen Geschehnis, Gedächtnis, Wahrnehmung und Niederschrift, zwischen Oralität und Schrift, zwischen Sinnsuche und Sinnkonstitution (Derrida) sollen ebenfalls beleuchtet werden.

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  Die Analysen sollen klären, inwiefern die Fiktion, das heißt, die Kategorie des imaginaire, als konkurrierender Diskurs zur Geschichtsschreibung auftritt, ob der Roman beispielsweise als Dekonstruktion der Geschichtsschreibung und des traditionellen historischen Romans fungiert oder ob der Roman als palimpsestisches Korrektiv einer noch immer bestehenden traditionellen Geschichtschreibung zu sehen ist. Es geht darum zu beschreiben, welches die von der traditionellen Geschichtsschreibung ausgeschlossenen Bereiche sind und inwieweit sie zur Bildung eines neuen Geschichtsbildes beitragen könnten. Als zusätzlicher Aspekt soll die Frage beantwortet werden, ob wir uns tatsächlich mit der Posthistorie am "Ende der Geschichte" befinden, oder ob wir uns nur von einer bestimmten Geschichtskonzeption verabschiedet haben.



 2. Hybridität als Kulturprinzip


»Das Interesse an der Postmoderne / Postkolonialität ist in Lateinamerika zwar einerseits rein wissenschaftlich, das heißt, es geht um die Beschreibung von Denken und Wissen, andererseits ist es der Versuch, die Komplexität unserer Zeit zu verstehen, den Ort im Leben, in dem ein solches Denken und Wissen beheimatet ist.«

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  Der postkoloniale Diskurs poststrukturaler Ausrichtung beschäftigt sich damit, wie die eigene Geschichte und die eigene Kultur aus der Sicht der "Ränder" neudefiniert und im Zusammenhang mit hegemonialen Ideen und Diskursen neu lokalisiert werden kann. Dabei fungieren hier als "Zentrum" nicht nur die USA oder Europa, sondern auch die kulturellen Institutionen und der "offizielle" Kulturbetrieb der Peripherie selbst beziehungsweise das, was sich dort als Norm etabliert hat.

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  Im Mittelpunkt der Analysen stehen das Verhältnis zwischen Peripherie und Zentrum, das Problem der Macht beziehungsweise der Aneignung oder dem "Bewohnen" von Diskursen aus dem Zentrum in dem Versuch, diese für eigene Ideen nutzbar zu machen. Untersucht werden soll der Entwurf einer Gegenkultur zur normativen Kultur und die Darstellung fragmentarischer Pluralität einer hochgradigen, nicht aufhebbaren Plurivalenz des Ichs. Ein Beispiel dafür liefern die Figuren von Francia und Bolívar in den Werken von Roa Bastos und García Márquez oder die Kurzerzählungen von Borges, Roa Bastos und Griffero. Dabei geht es außerdem um die Untersuchung "gegenseitiger" Rezeptionsformen und um das "Wiederschreiben" eines eigenen kulturellen Selbstverständnisses.

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  Es geht darum herauszufinden, welche Elemente der internationalen Debatte in die "Ränder" eingehen und wie diese in Lateinamerika "rekodifiziert" werden. Mit Hilfe der Konzeptionen von différance (Derrida) und Rhizom (Deleuze, Guattari), sowie den lateinamerikanischen Konzepten Synkretismus / Hybridität soll sich dieser Problematik angenähert werden.



 3. Sinnstreuung als Strukturprinzip


»Es sollen unterschiedliche Formen der Intertextualität und deren Funktionen mit dem Ziel beschrieben werden, die Wandlung des binären Denkens, das ein feststehendes Erkenntnissystem, eine geschlossene Struktur und einen Ursprung voraussetzt, zugunsten einer radikal offenen, sich immer wandelnden Struktur aufzuzeigen.«

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  Ausgehend von postmodernen Kategorien wie Simulation, Rhizom, Fragmentarisierung, Heterogenität, Vielfalt, Plurimedialität, Intertextualität, Dekonstruktion und Différance sollen Aspekte der textuellen und szenischen Produktion analysiert werden, die innerhalb der allgemeinen Gegenwartstendenzen die Spezifik lateinamerikanischer Kultur ausmachen und einen gewichtigen eigenen Beitrag zur Postmoderne leisten.

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  Die Dekonstruktion herkömmlicher literarischer und szenisch-dramaturgischer Verfahren, herkömmlichen Erzählens und Darstellens wird ebenso beschrieben wie die Dekonstruktion von Gattungen beziehungsweise des Gattungsbegriffs. In diesem Zusammenhang sollen unterschiedliche Formen der Intertextualität und deren Funktionen mit dem Ziel beschrieben werden, die Wandlung des binären Denkens, das ein feststehendes Erkenntnissystem, eine geschlossene Struktur und einen Ursprung voraussetzt, zugunsten einer radikal offenen, sich immer wandelnden Struktur aufzuzeigen. Es soll dargestellt werden, wie das postmoderne Denken im Bereich der Literatur und des Theaters umgesetzt wird beziehungsweise wie beide Gattungen das postmoderne Denken prägen. Von Bedeutung ist die Beschreibung zeitlicher Verschiebungen in der Kultur und deren Überlagerungen, da manche Autoren, wie etwa Borges, die Postmoderne denken, bevor diese sich als Paradigma etabliert.



 4. Multimedialität und Übersetzung


Alfonso de Toro ist Professor für Romanistik an der Universität Leipzig sowie Gründer und Direktor des dortigen Ibero-Amerikanischen Forschungsseminars.

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  Neben den drei erläuterten Untersuchungsschwerpunkten werden zudem Inszenierungsformen unter dem Gesichtspunkt der Multimedialität beziehungsweise der Funktion der unterschiedlich verwendeten Kodes (Video- und Filmprojektionen, Bildende Kunst im Theater, Musik, Lichteffekte, Fotographie, unterschiedliche Textsorten, computergesteuterte Technik) betrachtet. Im einzelnen wird sich die Analyse auf das Verhältnis zwischen dramatischem Text und Aufführungstext, unter besonderer Berücksichtigung der Inszenierung, des Phänomens der Virtualität im gegenwärtigen Theater, der Umsetzung von Texten oder Versatzstücken in Inszenierungsbildern und der Relation von Körper und Sprache konzentrieren.

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  Ein weiterer Schwerpunkt ist die Übersetzung, und zwar in mehrfachem Sinn: als Umsetzung von Sprache im Bild, als Umsetzung von Text in unterschiedlichen Inszenierungen, als Umsetzung von Elementen eines bestimmten kulturellen Kontextes in einem anderen, was besonders dann relevant wird, wenn etwa ein argentinisches Stück in Deutschland inszeniert wird oder wenn "klassische", nicht-lateinamerikanische Stücke in Lateinamerika inszeniert werden. Bei diesem Aspekt geht es nicht allein um die kulturelle Transferierbarkeit, sondern vor allem um die unendlich ausdehnbare potentielle Sinnbildung.



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