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Natascha Ueckmann

Neue Modelle des Kulturkontaktes

Das Bremer Institut für postkoloniale und transkulturelle Studien

Postkolonialismus-Studien interdisziplinär

Institut für postkoloniale und transkulturelle Studien (INPUTS)
Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften (FB 10)
Universität Bremen
Bibliotheksstraße
D-28359 Bremen
Deutschland
Tel.: +49 (421) 218-2072
Fax: +49 (421) 218-4283
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Sprecherinnen:

Prof. Dr. Gisela Febel
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Dr. Hella Ulferts-de Souza
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Dr. Cecile Sandten
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Sekretariat:

Monika Höfer
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INPUTS
1 Aktuell ist immer wieder von einem drohenden Zusammenstoß unterschiedlicher Kulturen die Rede. Die viel zitierten Thesen Samuel Huntingtons vom Clash of Civilisations und die Karriere seines gleichnamigen Buches in der westlichen Welt sind gegenwärtig sicherlich der bekannteste Ausdruck einer zunehmenden Fremdenfeindlichkeit und einer wachsenden Angst vor dem Islam. Steht nicht hinter den Debatten um Kopftücher, Moscheen und Pässe das Gefühl, demographisch ungleiche Entwicklungen zwischen Einheimischen und Einwanderern könnten langfristig die kulturellen Gewichte und damit das Land verändern? Ist Migration nicht der kulturelle Ernstfall?
2 Das Reden von »Kultur«, »Leitkultur« und »Multikultur« bedarf eines Perspektivenwechsels. Dass man die Vielheit unterschiedlicher Kulturen und Lebensformen und die Verwobenheit europäischer mit außereuropäischer Geschichte auch als ein komplexes Miteinander und als einen sich gegenseitig durchdringenden Prozess sehen kann, ist vorrangiges Ziel des seit dem Wintersemester 2002/03 bestehenden Instituts für postkoloniale und transkulturelle Studien (INPUTS) im Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften der Universität Bremen. Hervorgegangen ist es aus dem 2001 gegründeten Institut für kulturwissenschaftliche Trikont-Studien. Im INPUTS arbeiten nunmehr 30 Professorinnen und Professoren sowie wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fächerübergreifend auf einem Gebiet zusammen, das an der Bremer Universität bereits auf eine 20 Jahre lange Tradition zurückblicken kann.
3 Der methodische Ansatz der postkolonialen und transkulturellen Studien wird von INPUTS durch einen interdisziplinären Zugang umgesetzt, der die Fächer Anglistik, Kulturwissenschaften, Hispanistik, Lateinamerika-Studien, Linguistik, Literaturwissenschaft, Romanistik und Sozialgeschichte zusammenführt. INPUTS will eine Bestandsaufnahme und historisch-kritische Reflexion der Beziehungen zwischen europäischen, afrikanischen, asiatischen, lateinamerikanischen und anderen außereuropäischen Kultur-, Wirtschafts- und Lebensräumen anregen und umsetzen. Der besondere Arbeitsschwerpunkt liegt dabei auf den franko-, anglo-, hispano- und lusophonen Kulturen, Sprachen und Literaturen Afrikas, Asiens, Australiens, der beiden Amerikas und der Antillen.

Moderne im Plural

4 Das Institut hat es sich zur besonderen Aufgabe gemacht eine historisch-kritische Reflexion der Beziehungen zwischen europäischen und außereuropäischen Kulturräumen anzuregen, hegemoniale Praktiken vermeintlicher Zentren zu hinterfragen und Wege aufzuzeigen, die aus dem konfliktreichen Erbe der Kolonisierung hinausführen können. Postkolonialismustheorien betrachten den Postkolonialismus aber nicht ausschließlich als eine historische Phase, die auf den Kolonialismus folgte. Sie verstehen sich vielmehr als eine Form von Gesellschaftskritik, die durch die kritische Dekonstruktion westlicher Strukturen der Macht und des Wissens auf den Zusammenhang zwischen Strukturen des Wissens und Formen der Unterdrückung aufmerksam macht. Fragen nach dem dominanten Diskurs und marginalisierten Stimmen stehen dabei im Mittelpunkt.
Sollten wir angesichts des zweifelhaften westlichen Anspruchs auf universale Gültigkeit nicht besser von einer Moderne im Plural sprechen? 5 So hat sich Postkolonialismus-Kritik seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts im Anschluss an die Postmoderne zu einer wichtigen, treibenden Kraft entwickelt, die dem Westen gezeigt hat, dass er sich lediglich als eine Region innerhalb der Welt betrachten sollte. In der Folge wurde die Moderne ebenfalls einer Dezentrierung unterzogen, zumal sie in den ehemaligen Kolonien sehr unterschiedlich verlaufen ist. Die Arbeiten der Mitglieder von INPUTS kreisen dabei um sehr unterschiedliche Fragen und Problemstellungen: Sollten wir angesichts des zweifelhaften westlichen Anspruchs auf universale Gültigkeit nicht besser von einer Moderne im Plural sprechen? Wie schlagen sich transkulturelle Erlebniswelten und Themen konkret in postkolonialer Literatur und in der Theoriebildung nieder? Wie kann herrschaftsorientierte Geschichtsschreibung »gegen den Strich« gelesen werden? Welche Formen von Erinnerung und Gedächtnis können für eine Geschichte gefunden werden, wenn keine authentischen Zeugnisse (mehr) vorliegen?

Hybridisierung und Kreolisierung

6 Die Zielsetzung solcher Überlegungen ist deutlich: Der viel diskutierten Globalisierungspolitik, wie sie sich in der Ausbreitung der neuen Ökonomien, Technologien und westlichen Politikstrategien formuliert, sollen neue Kulturkonzepte und Identifikationsmuster entgegengestellt werden, die innere Differenzierungen zulassen und die derzeit unter den Stichworten Hybridisierung (mehrfache Identitäten) und Kreolisierung (kreative Vermischung) diskutiert werden. Denn selbst der Multikulturalismus, unsere gelebte Realität, droht unter Berufung auf festlegbare kulturelle Identitäten ein Konzept der Ghettoisierung und des Kulturessentialismus zu werden. Moderne Migrationskultur benötigt neue Modelle zur Beschreibung von Kulturkontakten.
7 Nach einem langen Entwicklungsprozess in der Postkolonialismusforschung haben sich aus der sehr heterogenen Breite postkolonialer Ansätze Begriffe wie Hybridität und Transkulturalität als Schlüsselbegriffe durchgesetzt. Statt die Existenz klar unterschiedener, in sich homogener Kulturen vorauszusetzen, also ein Nebeneinander von Kulturen zu favorisieren, erkennt man das Prinzip der gegenseitigen Durchdringung, der kulturellen Mischung an. Statt einen »Kampf der Kulturen« zu beschwören, geht es bei Hybridität und Kreolisierung um eine vielfältige subversive kulturelle Praxis: Im Zentrum stehen Schnittstellen von Kulturen und eine Interaktion, die Differenzen nicht harmonisiert, sondern plurale Identitäten als Alterität gelten und somit eine gleichzeitige Präsenz des Differenten möglich sein lässt. Jede bestehende Kultur ist seit jeher im fortlaufenden Prozess ihrer Weiterentwicklung den Einflüssen anderer Kulturen ausgesetzt und hat bereits Teilaspekte dieser anderen Kultur übernommen.

Aktivitäten des Instituts

Die Publikationen von Forschungsergebnissen werden in der Nachfolge der Reihe Bremer Beiträge zur Afro-Romania in der Schriftenreihe des Instituts Kritische Beiträge zum postkolonialen und transkulturellen Diskurs veröffentlicht.
external linkSchriftenreihe
8 Im Sinne einer interdisziplinären Zugangsweise und einer Verstärkung der in den fremdsprachlichen Philologien angelegten Internationalisierung beteiligt sich das Institut an Forschungsprojekten, Kolloquien, Publikationen sowie an Lehrprojekten, internationalen Vortragsreihen, Filmreihen, Lesungen, Ringvorlesungen und an der Weiterentwicklung der Studiencurricula. Zudem gibt das Institut eine eigene Schriftenreihe heraus. So beschäftigt sich INPUTS mit aktuellen Fragen und Perspektiven der Postkolonialismus-Debatte – koloniale Vergangenheit, kulturelle Fremdprägung, postkoloniale Eigenentwicklung, hybride Kultur- und Identitätsmodelle – im Rahmen öffentlicher Tagungen.
9 Die in Kooperation mit den AFRIKA-FreundInnen Bremen, der Deutsch-Französischen Gesellschaft Bremen und der International University Bremen im Bremer Institut Français ausgerichtete Konferenz »Zwischen Kontakt und Konflikt. Stand und Perspektiven der Postkolonialismus-Forschung« im November 2002 zeichnete sich einerseits durch eine große Breite methodischer und disziplinärer Zugänge aus und andererseits durch ihren Blick auf diverse Kulturräume (Brasilien, Senegal, Ruanda, Kongo, Karibik, Großbritannien, Kanada, Argentinien), gerade auch jenseits des anglophonen Feldes.
10 Eine Fortsetzung des interdisziplinären Dialogs über solche und weitere Perspektiven der Postkolonialismus-Debatte in Deutschland bleibt ein Desiderat. Aus diesem Grund veranstaltet INPUTS alle zwei Jahre eine Tagung zu diesen Fragen und bietet so ein offenes Forum. Die letzte Tagung wurde im November 2004 zum Thema »Transculturality in the Diaspora. Spaces – Cultures – Identities« durchgeführt. Im April 2005 fand zusätzlich ein Symposium zum Bild von Afrika in den Wissenschaften statt. Bereits 2003 wurde dem noch jungen Institut der Preis der Sparkasse Bremen für seine innovativen wissenschaftlichen Leistungen und Kooperationsprojekte verliehen.
polylog. Forum für interkulturelle Philosophie 6 (2005).
Online: http://agd.polylog.org/6/pun-de.htm
ISSN 1616-2943
Autorin: Natascha Ueckmann, Bremen (Deutschland)
© 2005 Autorin & polylog e.V.
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